Pferdesport?
Ich bin nicht gegen den Sport. Ich bin für die Pferde.
Da Aussagen oft interpretiert und nach der 10ten stillen Post definitiv anders wiedergegeben werden, als sie anfangs gesagt wurden, möchte ich einige Dinge noch einmal sehr klar kommunizieren.
Ich lasse mich ungern vor Karren spannen, die ich nicht selbst wähle.
Ich liebe Pferde. Ihr Wohlergehen, fairen und liebevollen Umgang, Wertschätzung für das große Privileg, mit ihnen Zeit verbringen und sie sogar reiten zu dürfen, ist mir mehr als wichtig.
Dabei ist es einerlei, ob dies im sportlichen Rahmen, in der Freizeit, im Wald oder im Parcours stattfindet. Ihr Wohlergehen sollte an erster Stelle stehen. IMMER!

Lasst uns ehrlich sein!
Dazu dürfen wir uns und die von uns gestalteten Systeme hinterfragen. Das kann weh tun. Reflektieren, Hinschauen, Veränderung tut immer weh. Das habe ich die letzten 2 Jahre deutlichst gespürt und meint man es ernst, wird man nie fertig. Darf sich selbst und das eigene Tun, gerade in Bezug auf die Tiere, ständig und immer wieder hinterfragen.
Dabei werden Fehler passieren. Der Umgang damit wird den Unterschied machen.
Fehlt der Respekt vor dem Lebewesen, ist das Ego des Menschen wichtiger als das psychische und physische Wohlergehen des Tieres, ist der Wunsch nach Erfolg, und damit Anerkennung und Geld, wichtiger als das ehrliche Benennen und sich Zeit nehmen für Baustellen, dann haben wir ein Problem.
Und das haben wir.
Und ja, das darf man so sagen.
Nur weil man es nicht benennt, verschweigt, unter den Teppich kehrt oder mit mehr Zuckerguss übergießt (aka positive Bilder), ist es nicht, nicht da.
Ich würde behaupten JEDER Pferdemensch kennt Situationen, wo Pferde (und Tiere im Allgemeinen, aber das ist ein anderes Thema) schlecht behandelt werden.
Bagatellisierung von Gewalt, Shifting Baselines, Grobheit, Wegschauen, Misshandlung.
Das findet statt. Und wir alle wissen das!
Nein, es ist keine Definitionssache „wie schlimm dieses oder jenes denn nun ist.“
Also lasst uns doch ehrlich sein.

Wir haben ein Problem!
Wir haben ein Problem!
Dieses Problem, das ich meine, bezieht sich nicht auf fehlende Akzeptanz im Außen oder mangelnden Nachwuchs, auch wenn dies sicher weitere valide Themen sind.
Wir haben noch ein anderes Problem. Und das betrifft uns alle.
Übrigens in der Reiterei, dem Pferdesport und allem was wir mit Pferden tun im Allgemeinen, nicht nur im Turniersport.
Und wir dürfen entscheiden, ob wir weiter Teil dieses Problems sein wollen oder lieber Teil der Lösung.
Die nicht über Nacht da sein wird. Wenn das auch wünschenswert wäre, sollte man sich dieser Illusion gar nicht erst hingeben.
Aber wir können mit allem, was wir tun, Day by Day, Step by Step, Dinge für die Tiere zum Besseren wenden.
Und ja, jede Entscheidung, jedes ehrlich sein, jede Handlung zählt.
Vielleicht nicht sofort fürs große Ganze, aber doch für jedes einzelne Tier.
Viel wichtiger als die Frage, ob ich gegen etwas bin, ist die Frage WOFÜR bin ich denn.
Es hat sich in den letzten Jahrzehnten viel getan, viele Pferdemenschen schauen sich die Bedürfnisse der Tiere genauer an, die Haltung wird besser, es gibt großartige Trainer, die ihr Wissen zur Verfügung stellen, es schauen viel mehr Leute hinterfragend hin und vieles mehr.
In Sachen Turniersport stellt sich mir die Frage, ob er es schafft an die positiven Entwicklungen, die so viele Pferdemenschen bereits vormachen, konsequent anzuknüpfen
Oder ob Geld, Verbindungen und Klüngel für manche so hartnäckig wichtiger bleiben, dass er sich selber abschafft.
Denn das wird er über kurz oder lang tun, wenn sich nicht alle anfangen deutlich mehr zu bewegen als ihre Komfortzone es aktuell zulässt.
Denn auch wenn immer noch viele ausschließlich und undifferenziert klatschen, wird die Kritik aus den eigenen Reihen immer lauter und klarer.
Es sind nicht nur die Unwissenden da draußen, die den Turniersport kritisieren. Die Kritik, kommt von innen, von großartigen Reitern, Trainern, Züchtern, Experten und Pferdemenschen
Der Turniersport schafft sich nicht ab, und auch da möchte ich den Finger in die Wunde legen, weil Menschen oder Organisationen Probleme benennen, offenlegen, bildlich festhalten und konstruktiv kritisieren, sondern weil zu viele am Alten festhalten. Nicht gewillt sind anzuerkennen, dass positive Veränderung sich nicht aufhalten lässt und eine ethische Neuausrichtung von dem, was wir mit anderen Lebewesen tun dürfen, längst überfällig ist. Wäre es nicht schöner, diese aktiv und zeitgemäß mitzugestalten, statt an alten Hüten festzuhalten?
Ich sehe übrigens, wie schon erwähnt, so weh es manchen tun wird, Themen in allen Bereichen.
Ja, auch in der Freizeitreiterei und im Amateursport.
Der Grund ist in meinen Augen fehlendes Wissen, fehlende Zeit und ein zu großes menschliches Ego.
Es ist daher wenig zielführend, auf nur eine Problematik mit dem Finger zu zeigen.
Ich selber war das allerbeste Beispiel, wie man es sehr gut meinen kann und es trotzdem ziemlich schlecht macht. Ich denke, dazu habe ich schon oft etwas gesagt, und werde das auch immer wieder tun. Fehler passieren. Die Frage ist, wie oft man sie wiederholt, wenn man es besser weiß.
Wissen ist in meinen Augen einer DER Gamechanger in Sachen Pferdewohl.
Gekoppelt mit Wille.
Abseits von Meinungen gibt es die Wissenschaft, die Fakten in vielen Bereichen sehr klar auf den Tisch legt.
Wann ist ein Pferd schmerzhaft.
Wann ist es zu dick.
Wann trägt ein Pferd sich selber und seinen Reiter gesund erhaltend, wann strampelt es auf Kosten der Gesundheit.
Wissen ist in unseren Zeiten vielfältig zugänglich und möchten wir unsere Pferde gesund erhaltend reiten, dürfen wir uns mit diesen Themen beschäftigen.
Und dann dürfen wir dieses Wissen konsequent anwenden. Denn während es in manchen Bereichen eher an Wissen fehlt, ist es in anderen Bereichen vor allem der Wille, dieses auch zur Priorität zu machen.

Lösungen?
Pferde dürfen und sollten in unseren heutigen Haltungsformen (egal ob Boxenhaltung oder Offenstall. Sie bewegen sich fast alle zu wenig.) bewegt und trainiert werden.
Und das darf auch durchaus anstrengend, allerdings nicht schmerzhaft sein.
Ein zu dickes Pferd, ein extrem verspanntes Pferd, eins, das kaum grasen kann, ein Pferd, das nur herumsteht und dann am Wochenende in den Wald gejagt wird.
Turnierpferde, die nur stundenweise oder gar nicht aus der Box kommen, zu schnell ausgebildet werden, deren Cortisolspiegel sich nie regulieren kann.
Beide Extreme sind wenig zielführend, möchte man ein gesundes Pferd haben. Beide Extreme werden oft benannt.
Whataboutism bringt uns in der Diskussion ums Pferdewohl allerdings genauso wenig weiter, wie ständig auf andere Lager zu zeigen.
Veränderung, ist immer schwer.
Sie ist schon nicht leicht, wenn es um einen persönlich geht.
Für offizielle Stellen, Verbände und Gruppen scheint sie manchmal ein Ding der Unmöglichkeit, mahlen die Mühlen doch aus verschiedensten Gründen verdammt langsam.
Aber die Zeiten ändern sich. Es passieren Dinge.
Es gibt Statements. Es gibt Veränderung.
Was uns weiterbringt?
Vielleicht müssen WIR uns ändern, bevor sich das System ändert.
Vielleicht ist jeder einzelne, der sein Wertesystem hinterfragt und immer wieder neu auf den Prüfstand stellt, ein Stein, der ins Rollen kommt.
Jeder, der das Wohl des Pferdes WIRKLICH an erste Stelle stellt, ein Teil der Veränderung.
Fakten auf den Tisch. Transparenz, KEIN unter den Teppich kehren.
Keine Social License durch bewusst platzierte schöne Bilder.
Sondern schöne Bilder, weil es immer weniger hässliche gibt.
Ehrlich hinschauen und konsequent Dinge ändern.
Wieso glauben wir, nichts bewirken zu können? WIR sind der Pferdesport.
Wir entscheiden, wofür wir applaudieren und wogegen wir aufstehen.
Das Momentum ist da.
Und ich freue mich, dass sich die Entwicklung in Sachen Pferdewohl nicht mehr aufhalten lässt.
Das Schöne daran… Um die oftmals zitierte Social License müssen wir uns dann wahrscheinlich viel weniger Gedanken machen.
Wie wäre es also, die Pferde ab sofort einfach so zu behandeln, wie sie es WIRKLICH verdient haben!